Die FDP im Landtag möchte das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Identität in die niedersächsische Landesverfassung sowie in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufnehmen lassen. Im Oktober-Plenum brachte die Fraktion zwei Anträge in die politische Beratung ein, die jeweils eine Ergänzung der Artikel 3 um das entsprechende Merkmal vorsehen.
Silvia Bruns, gleichstellungspolitische Sprecherin der Freidemokraten, verwies in ihrer Rede im Landtag auf die langjährige juristische Verfolgung von Homosexuellen, die erst 1994 tatsächlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde. Außerdem merkte sie an, dass erst 2017 die Zivilehe für homosexuelle Paare geöffnet wurde – dankenswerter Weise auch mit der Zustimmung von einem Viertel der Abgeordneten von CDU und CSU.
FDP: Schutz muss robuster werden
„Die Änderung würde aus unserer Sicht den Schutz der sexuellen Identität robuster gegen erstarkende konservative gesellschaftliche Strömungen machen“, begründete Bruns die Initiative. „Ansonsten können alle Errungenschaften der letzten Jahre per Mehrheitsbeschluss rückgängig gemacht werden.“ Eine solche Entwicklung sei in Österreich, Polen und den USA zu beobachten. „Eine progressive Haltung der Justiz ist auch in Deutschland keine Selbstverständlichkeit.“
Doch Bruns räumt auch einer kritischen Betrachtung Raum ein. So tauche der Begriff schon in einigen Gesetzen und Landesverfassungen auf – er sei aber unklar. Sie hoffe deshalb auf eine konstruktive Auseinandersetzung.
Verfassung ist Wertegrüst unseres Staates
Diese sagte ihr Christian Calderone, verfassungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, im Landtag ausdrücklich zu. In einer sehr ruhig und besonnen vorgetragenen Rede sagte der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Bersenbrück: „Richtig ist, dass die Verfassung das Wertegerüst unseres Staates ist, und zu diesen Werten gehört sicherlich auch die Nicht Benachteiligung aufgrund sexueller Identität.“
Er verwies auch darauf, dass es 1969 die CDU-geführte Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger war, die im Zuge der großen Strafrechtsreform die Strafbarkeit von einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen erwachsenen Männern abschaffte. „Und es war die CDU-geführte Bundesregierung unter Helmut Kohl, die 1994 die unterschiedlichen Schutzalter-Stufen für homosexuelle und sexuelle Handlungen in 175 StGB einheitlich auf 14 Jahre festlegte.“
Mit diesem Beispiel wolle er verdeutlichen, dass sich die CDU-Landtagsfraktion (womöglich entgegen der allgemeinen Einschätzung) sehr ernsthaft mit den Anträgen der FDP-Fraktion befassen werde.
Weitere Änderungen nötig?
„Wenn wir dies tun, sollten wir uns aber gleichzeitig fragen, ob der Begriff der ‚Rasse‘ in den Artikeln 3 Absatz 3 noch passend ist“, mahnte Calderone an und bekam viel Applaus.
Zudem wolle er diskutieren, ob der Katalog, wenn er schon ergänzt wird, nicht noch weitergehend ergänzt werden sollte: „Was ist mit der Frage der Altersdiskriminierung? Was ist mit der Frage der Bildungsdiskriminierung?“ Auch fragte er, ob der Begriff der „sexuellen Identität“ derjenige sei, der auch auf Dauer trägt. „Müsste es nicht ‚sexuelle und geschlechtliche Identität‘ oder ‚sexuelle Orientierung‘ oder ganz anders heißen?“
Politik muss bei Verfassungsänderungen vorsichtig sein
Man müsse sich zudem die Frage stellen, ob in der heterogener werdenden Gesellschaft überhaupt noch einzelne Merkmal über den Grundsatz der Gleichheit aller Menschen hinaus hervorgehoben werden können. Die Politik müsse sehr vorsichtig sein bei Änderungen der Verfassung – „bei aller Neigung zur politischen Botschaft“. Die Tagespolitik unterliege oft dem Zeitgeist, die Verfassung hätten aber den Anspruch, darüber hinaus zu wirken und Bedeutsamkeit zu entfalten, so der verfassungspolitische Sprecher.
Abschließend kündigte Calderone noch einmal eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Anträgen im zuständigen Rechtsausschuss des Landtages an: „Es gibt viele Fragen und unterschiedliche Möglichkeiten, einem gemeinsamen Anliegen tatsächlich Nachdruck zu verleihen.“
LSU Oldenburg wird prominent erwähnt
Ulf Prange, SPD-Abgeordneter aus Oldenburg, erinnerte in seiner Rede daran, dass in den letzten beiden Legislaturperioden ähnlich lautende Anträge immer am nötigen Quorum für eine Verfassungsänderung gescheitert seien. Doch da seit einigen Jahren beim CSD in Oldenburg auch die CDU mit einem eigenen Wagen dabei sei, hoffte er auf die Unterstützung aus der Union. Er habe den Traum, dass bis zum nächsten CSD in Oldenburg die Verfassung entsprechend ergänzt wurde.